Zu Beginn gab es nur Sonne, Mond und die Sterne, um die Zeit zu messen. Der Lauf der Sonne kennzeichnete einen Tag mit seinem Morgen, Mittag und Abend, ein Wechsel des Mondes bildete die nächst größere Einheit, der Kreis der Jahreszeiten ein ganzes Jahr. Man kam zusammen, wenn die Sonne versank – was im Winter viel früher war als im Sommer – oder wenn der Mond sein volles Gesicht zeigte. Kleinere Einheiten wie Stunden, Minuten oder gar Sekunden gab es nicht.
Heute sind Uhren die alltäglichen Begleiter unserer Tage. Sie zeigen uns eine einheitliche Zeit, erlauben uns präzise Verabredungen, Vorgänge und Datierungen. Atomuhren ermöglichen uns, keine Sekunde zu verlieren in unserem Bemühen, die Zeit zu messen, wir erfassen Zehntel- und Hundertstelsekunden, um Erfolge in Sport und Wissenschaft zu verzeichnen. Armbanduhren, Wanduhren, Kirchturmuhren, Wecker, die Zeitanzeige am Computer – sie alle ticken unsere Tage in kleine Sekundenhäppchen.
Die Entwicklung der Uhr geschah nicht von heute auf morgen, sondern ist ein jahrhundertelanger Prozess gewesen, ein Zeichen der kulturellen Entwicklung und ein Spiegel der wissenschaftlichen Fortschritte. Der Wunsch, Zeit messen und somit verstehen zu können, zeigt viel über unser Bedürfnis, die Welt greifbar zu machen – selbst wenn wir uns nun manchmal allzu sehr im Griff der von uns so genau gemessenen Minuten befinden und uns freuen würden, wenn die kleinste Zeiteinheit wieder einfach nur ein Tag wäre.
Frühe Uhrenformen: Die Sonnenuhr und mehr
Ein Tag ist die Zeit, die die Erde braucht, um sich einmal um ihre eigene Achse zu drehen, so dass scheinbar die Sonne im Osten aufgeht, über den Südhimmel wandert und im Westen versinkt. Dieser stete Rhythmus bot sich als erstes an, um die Zeit zu erfassen, demnach waren, nach der weiten Einteilung von Morgen, Mittag und Abend, Sonnenuhren die frühsten künstlichen Zeitmesser. Dabei wurden nicht nur einzelne Tageszeiten bestimmt, sondern auch besondere Punkte im Jahr. So gibt es zum Beispiel auf den Orkney-Inseln im Norden Schottlands eine unterirdische Steinkammer, in die aufgrund ihrer Bauweise nur an einem einzigen speziellen Tag im Jahr Licht fallen kann. Sie ist somit auch eine Art Uhr, allerdings in einem größeren Maßstab.
Die klassische Sonnenuhr nutzt den mit dem Stand der Sonne über eine Art Zifferblatt wandernden Schatten eines Objektes – sei es eine Steinsäule, ein Stab oder nur eine gespannte Schnur-, der den Zeiger darstellt. Die Nacht fiel aus dieser Art der Zeitmessung heraus, doch sie war ohnehin weitgehend eine Zeit der Untätigkeit und Ruhe und brauchte demnach keine Einteilung. Die ersten Sonnenuhren wurden um das Jahr 5000 v.Chr. in Ägypten verwendet, in China ab 3000 v.Chr., fast ebenso früh tauchten sie bei den Inka in Südamerika und in Indien auf.
Zur gleichen Zeit begann auch eine Zeitrechnung, die die Schaffung von Kalendern zum Ziel hatte und demnach Monate und Jahre mit einbezog. Während sie versuchte, sich über Jahrhunderte auszuweiten, konzentrierte sich die Geschichte der Uhr darauf, immer genauer in Stunden und Minuten hinein zu blicken.
Es gab noch andere und von der Sonne unabhängige Weisen, das Verstreichen der Zeit zu erfassen. So konnte man gleichmäßig wiederkehrende oder stetige Ereignisse messen, zum Beispiel das Tropfen von Wasser. In Ägypten und Chine wurden Wasseruhren genutzt, bei denen Flüssigkeit von einem Behälter in den anderen tropfte – die Menge des Wassers in den Gefäßen zeigte an, wie viel Zeit vergangen war. Eine weitere Möglichkeit stellten Stundenkerzen dar, die auch im mittelalterlichen Europa genutzt wurden. Das gleichmäßige Abbrennen einer Kerze, die mit Markierungen im Abstand von je einer Stunde versehen wurde, stellte eine relativ genaue Zeitmessung dar. Im Gegensatz zur Sonnenuhr gab es bei diesen Methoden jedoch das Problem der Relativität, denn wenn zwei Stundenuhren nicht genau zur gleichen Zeit entzündet wurden und unter gleichen Bedingungen abbrannten, dann unterschieden sie sich in ihren Angaben und ermöglichten zum Beispiel keine pünktliche Verabredung.
Die ersten mechanischen Uhren
Am grundlegenden Prinzip der Zeitmessung, die eine Zählung gleichmäßig wiederkehrender Ereignisse ist, hat sich nichts geändert, doch die dafür verwendeten Apparaturen verfeinerten sich immer mehr. Im 13. Jahrhundert wurden die ersten mechanischen Uhren erfunden, die die ersten Vertreter der modernen Technik darstellen. Sie war somit mehr als nur ein Werkzeug, sondern zugleich ein Zeichen für den Beginn einer neuen Epoche, in der Wissenschaft eine immer größere Rolle spielen sollte.
Doch das Bedürfnis, Zeit noch genauer einteilen zu können, hatte gerade im Mittelalter in Europa auch religiöse Hintergründe. Zeit war etwas, das erst mit der Schöpfungsgeschichte begann und mit dem Jüngsten Tag enden würde, demnach war sie ein Zeichen göttlicher Macht und Gegenstand metaphysischer Betrachtungen. In der alltäglichen Praxis waren es die Klöster, die eine genaue Messung der Stunden für ihren sehr streng geregelten Tagesablauf benötigten.
Die erste schriftliche Erwähnung eines Uhrmachers ist in einem Dokument aus dem Jahre 1269. Die Uhrmacher kamen aus den Berufen der Schlosser und der Grobschmiede. Da ihre Kunstwerke sehr teuer waren und sich nur wenige eine Uhr leisten konnten, zogen diese Handwerker oft von Ort zu Ort, um ihre Kunst anzubieten. Sie nahmen die Fertigkeiten von Goldschmieden und anderen Feinschmiedeberufen hinzu, um die Qualität und das Aussehen der Uhren zu verbessern. Nur an Orten, an denen es sowohl zahlungskräftige Abnehmer für Uhren gab – also in der Nähe von Fürstenhöfen -, als auch gute Handelsmöglichkeiten und ausreichend gutes metallverarbeitendes Handwerk, etablierten sich sesshafte Uhrmachermeister. Das war in Deutschland bei Nürnberg (Mitte des 16. Jahrhunderts erfreut sich die berühmte Taschenuhr „Nürnberger Ei“ größter Beliebtheit) und Augsburg der Fall, in England London, in Frankreich Paris und Blois.
Hier konnte sich das Handwerk immer weiter verfeinern und es wurden neue Erfindungen gemacht, die die Präzision der Zeitmessung vergrößerten. So zum Beispiel die von Herr Cardano entwickelte und nach ihm benannte Aufhängungsmethode, Kreuzschlag und Remontoir des Astronomen J. Burgi und die im 17. Jahrhundert von Galileo Galilei erfundene Reibungs- oder Stiftnockenradhemmung für eine Turmuhr in Florenz – Galilei ist es auch, der die erste Pendeluhr konstruiert, die jedoch erst 1657 von dem Astronomen Christian Huygens weiter entwickelt und zum Patent angemeldet wird.
1675 wird in der Akademie der Wissenschaften in Paris die Spiralfederunruh veröffentlicht und ihr Erfinder, abermals der Astronom Huygens, geehrt. Fünf Jahre später erfindet Hooke die rückführende Hakenhemmung.
Die Uhren werden immer kleiner und genauer, Taschenuhren erfreuen sich größter Beliebtheit. Es geht längst nicht mehr nur um die Zuverlässigkeit der Uhren, sondern auch um ihre künstlerische Ausgestaltung, die die technischen Wunderwerke zu begehrten Schmuckstücken macht. 1720 schafft George Graham es, eine Unruh mit Spiralfeder zu entwickeln und somit auch die kleine Taschenuhr präziser zu machen. Obwohl französische Uhrmacher nachziehen, gelten englische Uhren bald als die genausten, die man bekommen kann. 1695 beträgt die Gangungenauigkeit einer Graham-Taschenuhr durch ein Kompensationspendel nur noch eine Sekunde am Tag.
Die Zeitrechnung: Entscheidend für die Uhrenwelt
Spätestens ab dem Jahre 1345 wird die Stunde einheitlich in 60 Minuten aufgeteilt, wie wiederum aus 60 Sekunden bestehen. Doch ist die gemessene Zeit keine „Einheitszeit“, sondern mehr eine „Ortszeit“ – zunehmende Transportgeschwindigkeit und wachsende Kommunikation machen es nötig, die Zeitmessung immer mehr zu vereinheitlichen, wenn sie funktionieren soll.
Zudem wandelt sich der Sinn der Zeitmessung. War eine Uhr im Mittelalter das Werkzeug, um Stunden und Minuten zu messen, so wird sie nun in der Neuzeit gewissermaßen zum Erschaffer der Zeit selber. Ein neues Weltbild greift um sich – die natürlichen Zyklen wie der Sonnenlauf, die bisher mit der Uhr abgebildet werden sollten, treten in den Hintergrund. Die Zeit wird unabhängig von ihren Ursprüngen – die Uhr selber ist es, die jetzt Tag und Nacht einen neuen Zeitrhythmus für die Menschen vorgibt. Eine Arbeit beginnt nicht mit dem Sonnenaufgang, sondern um sieben Uhr in der Früh, ganz gleich, ob es Sommer oder Winter ist. Das Gefühl für Zeit bleibt relativ – eine angenehme Stunde verfliegt, eine mühsame schleicht dahin -, doch die Messung ist davon unbeeindruckt und fasst alle Menschen im gleichen System zusammen.
Zeit wird zu einem wichtigen Faktor, den es zu definieren und zu kontrollieren gilt. Zeitverschwendung kann nun gemessen werden, die protestantische Ethik von Arbeit und Fleiß erhält einen Maßstab. Der von Benjamin Franklin geprägte Satz „Zeit ist Geld“ wird zum Sinnbild des Kapitalismus, der in der Zeitmessung eine wichtige Unterstützung gefunden hat.
Uhren werden durch technische Innovation zur Massenware
Während die Uhr ihren Einfluß auf Kultur und soziale Gefüge nimmt, geht auch die technische Entwicklung weiter. Thomas Mudge, ein Lehrling von Graham, erfindet Ende des 18. Jahrhunderts die Ankerhemmung und erschafft die berühmte „Uhr der Königin“ und andere Uhren, die als die schönsten tragbaren seiner Zeit überhaupt bezeichnet werden.
Der bekannteste Uhrmacher ist jedoch Abraham Louis Brequet, ein Franzose aus Paris, der eine Taschenuhr mit Selbstaufzug erfand und die nach ihm bekannte Brequet-Spirale – sein freier Ankergang unterscheidet sich von der Konstruktion her nur unwesentlich von denen, die noch heute für Armbanduhren verwendet werden. Zwischen 1790 und 1820 fertigte Brequet Uhren für die mächtigsten Fürsten dieser Epoche. Seine Werke waren so begehrt, dass sie auch die Schattenseite der Berühmtheit zu spüren bekamen: auf eine originale Brequet-Uhr kamen Schätzungen zufolge bis zu 500 Fälschungen.
Es wurde Zeit für eine gänzlich neue Produktionsweise von Uhren, da diese sich längst nicht nur bei den Reichen steigender Beliebtheit erfreuten. Ende des 18. Jahrhunderts erfindet H. Maudslay, mit einer Support-Drehbank die Grundlage für eine Massenproduktion zu legen, die aber erst Jahre später in Kraft treten sollte. Dies geschah vermutlich in Conneticut durch die Brüder Pitken, die eine Serie von 50 Uhren anfertigten. Mitte des 19. Jahrhunderts produzierte England 150 000 Taschenuhren mit einer fast 11000 Arbeiter umfassenden Industrie. Billig lohnte sich: die Schweiz produzierte günstig für den Export und galt als Billiglohnland, in Amerika wurden von der Waltham Watch Company zwischen 1925 und 1957 34 Millionen Taschenuhren hergestellt. Die Preise für den begehrten Zeitmesser sanken, bis hin zu der Ein-Dollar-Uhr, von denen die Gebrüder Ingersoll aus Michigan in einem Jahr eine Million Stück verkauften.
Das Problem der einheitlichen Zeit auch in weit entfernt liegenden Gegenden wurde drängender, und 1880 wurde die mittlere Sonnenzeit in Greenwich per Gesetz die offizielle Zeit in Großbritannien, vier Jahre später gab es eine internationale Meridiankonferenz, auf der eine Universal-Zeitkonvention beschlossen wurde.
Die Erfindung der elektrischen Uhr
1815 gelang es dem Mechaniker Karl Heinrich Klingert aus Breslau, die erste elektrische Uhr zu bauen. 1929 entdeckt W.A. Morrison den Kristall als Ersatz für das Pendel – beide Erfindungen gemeinsam führen zu dem Bau der ersten Quarzuhren, die mit ihrer Genauigkeit für den alltäglichen Gebrauch unübertroffen sind.
Unablässig, von mittlerweile winzigen Batterien gespeist und von Funkwellen auf die richtige Zeit gebracht, zählen Uhren an jedem Handgelenk die Stunden und sind überall auf der Welt genormt. Es herrscht eine große, weltumspannende, gemeinsame Zeit, in der Uhren, die am Tag eine Sekunde verlieren, bereits halb eine belächelte Antiquität darstellen.
Je kleiner die Einheiten werden, die unsere Zeit bestimmen – von der Wanderung der Sonne bis hin zur Atomuhr – , desto weniger erfahrbar und nachvollziehbar wird für uns das, was wir Zeit nennen und mit dem wir ständig umgehen. Eine Sekunde ist – seit einer Definition von 1967 – 9192631770 Schwingungen des Cäsiums-Atoms lang . Auch die lebhafteste Vorstellungskraft muss bei dieser Art der Genauigkeit versagen.
Und, allen Messgeräten zum Trotz, gibt es Völker in den Urwäldern Südamerikas, die für Zeit nicht einmal Begriffe haben, das Konzept von vergehenden Stunden nicht begreifen können – und wollen. Während wir auf der anderen Seite jede Zehntelsekunde zählen und doch eines selten in ausreichendem Maße zu haben scheinen: die Zeit, die wir uns selbst erschafften haben.